Sonntag, 5. August 2012

schüchtern

Ich hatte, beziehungsweise habe, ein schönes Wochenende.
Am Freitag waren mein Freund und ich aus. Zuerst konnte ich mich nicht aufraffen, ich wollte nicht alleine in unseren "Stammclub" gehen und dann entschied mein Freund doch mitzukommen.
Ich tanzte und tanzte. Vor allem zu dem Lied "Given up" von Linkin Park konnte ich mich so richtig auspowern, denn der Rhythmus und der Text waren an diesem Abend perfekt. Ich fühlte mich auch so, denn mein Freund hatte vorher einen Scherz gemacht, den ich in die falsche Kehle bekommen hatte und ich dachte mir nur: "Was ist nur los mit mir? Warum kann ich nicht normal sein, sodass mir solche Scherze nichts ausmachen?!"
Also tanzte ich und danach fühlte ich mich ein wenig besser.

Am nächsten Tag schliefen wir sehr lange. Am Abend gingen wir - mein Freund und ich - in einen kleinen Clubkeller. Freunde von meinem Freund feierten dort den Geburtstag eines Clubmitglieds.
Ich fühlte mich so schüchtern. Ich weiß in solchen Momenten nicht, wie das zusammenpasst, dass jemand, der am Abend davor noch wild getanzt hatte und sich nichts dabei dachte, am nächsten Tag so schüchtern sein kann.
In diesem Clubkeller waren viele Menschen, von denen ich nur zwei kannte und ein paar schon einmal gesehen hatte.

Aber ich konnte einfach mit niemandem ein Gespräch anfangen, saß nur herum und versuchte nicht allzu auffällig zu sein. Das Narbenmädchen versucht nicht auffällig zu sein?! Was für ein Witz. Natürlich fielen die vielen Narben auf, wenn auch nicht ich. Ich habe sie die gesamten Ober- und Unterarme entlang und auch auf den Beinen, die zu dem Zeitpunkt allerdings unter einer langen Hose versteckt waren.
Trotzdem, an das dachte ich diesen Abend gar nicht. Denn manchmal, da vergesse ich zum Glück, dass ich überhaupt Narben habe, auch wenn das Thema Selbstverletzung für mich noch nicht abgeschlossen ist.

Nach ein einhalb Stunden herumsitzen und kaum mit jemandem reden, reichte es mir dann. Ich war müde, überfordert und extrem schüchtern.
Also ging ich nach Hause und hoffte, mein Freund würde den Abend mit seinen Freunden und Bekannten genießen.

Ich vergesse nicht nur die Narben immer wieder, sondern auch, dass ich multipel bin. Dann erscheint es mir natürlich als vollkommen paradox, so schüchtern sein zu können und dennoch auf Menschen offen und fröhlich zugehen zu können.
In solchen Momenten denke ich mir immer: "Irgendetwas stimmt doch mit mir nicht!"

Was zu einem gewissen Teil auch wahr ist, denn multipel zu sein, ist natürlich nicht etwas, was der "Normalität" entspricht - zumindest nicht der Normalität einer heilen Welt. Wenn man so aufwächst, wie ich aufgewachsen bin, ist es durchaus normal, sich zu spalten.

Aber so bin ich nun einmal, oder sollte ich sagen, so sind WIR nun einmal? Schüchtern, offen, traurig, fröhlich, dunkel, hell, klein und groß.
Es ist ein kompliziertes und oft einsames Leben.
Umso dankbarer bin ich meinen Freund zu haben, meine Mutter und die handvoll Freunde, die zu mir stehen. 

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